Der Städtebau war in den 20er und 30er Jahren eine der zentralen Technologien, die Neuordnung der Gesellschaft auf der Grundlage veränderter Produktions- und Lebensverhältnisse planvoll umzusetzen. Im Kolonialismus diente die Planung der strategischen Inbesitznahme des Territoriums. Dabei ging es nicht nur um neue Bau- und Siedlungspolitik, sondern auch um neue Regierungstechnologien, die später in Europa zur Anwendung kommen sollten. Erziehung, wissenschaftliche Untersuchungen, Formen der industriellen Produktion, Planungsmethoden und militärische Operationen wurden in den Kolonien erprobt und weiter entwickelt. Damit wurde die Kolonie zum Laboratorium für die europäischen Modernephantasien. In den zeitgenössischen kolonial- rassistischen Diskursen der Anthropologie, Geografie oder Soziologie zählen divergierende Bau- und Siedlungsformen neben den äußeren Merkmalen menschlicher Körper zu den wichtigsten Indikatoren für den ‘wissenschaftlichen’ Nachweis der Primitivität fremder Gesellschaften. Im kolonialen Kontext erwiderte die Untergliederung des städtischen Raumes freilich nicht nur bauhistorische Differenzen und Klassenunterschiede, sondern folgte unmittelbar rassistischen Überlegungen. Entsprechend galten Architektur und Urbanistik als Schlüsseltechniken für die Assimilation der Kolonien in die westliche Zivilisation der Moderne (Zentrum-Peripherie) und gehören zum rassistischen Dispositiv.
Der Text zeigt auf der Basis der Diskursanalyse (Foucault), wie unter den Bedingungen des Kolonialismus Konzepte und Kategorien intensiviert wurden, die sich auf der Annahme der Europäer von Kultur- und Rassenunterschieden stützten und zu Regierungstechnologien und städtebaulichen Strategien gewendet wurden. Begründet wurden diese Maßnahmen – ganz im Sinne der ‚Bio-Macht’ von Foucault – als für die Volksgesundheit förderlich bzw. unumgänglich (Paradigma der Hygiene). Damit entsteht die wichtige Frage, welche Rolle ‚kulturspezifische’ Wohntypologien und die Strategien der urbanen Zonierung damals spielten. Gibt es in Asmara einen Hinweis darauf, dass sich die italienischen Architekten mit den Wohnpraktiken der Einheimischen auseinander setzten, um etwa mit dem Konzept nutzungsoffener Sozialsiedlungen eine eigenständige und lokale Entwicklung zu begünstigen? Gibt es bei den Italiener vergleichbare Maßnahmen, die auch in Casablanca oder anderen afrikanischen Städten von europäischen Kolonialmächten angewendet wurden?